Freitag, 15. August 2025

100 Tage Regierung Merz – eine Bestandsaufnahme

Die schwarz-rote Regierung ist nun 100 Tage im Amt. Zeit für einen ersten Rückblick, der für die meisten Beobachter durchwachsen ausschaut. In diesem Eintrag geht es um das, was passiert ist, in einem weiteren Beitrag stelle ich dann einige Kommentare vor. 
Der SPIEGEL bietet sogar ein Quiz. 
Die Regierung Merz ist auch Thema in meinen Seminaren, u.a. bei einem Seminar im Bereich Demokratie und Wahlen.  
In diesem Blog geht es um die Aktivitäten der Regierung, im nächsten Eintrag dann um die Kommentare in Zeitungen. 

Ein Drama in sieben Akten 

Die Süddeutsche Zeitung fragt: Wie viel kann eigentlich in 100 Tagen passieren?
Es waren turbulente erste 100 Tage für die schwarz-rote Regierung. 118 Vorhaben hat das Kabinett bereits beschlossen, darunter auch liegen gebliebene Projekte der Vorgängerregierung. 
Der Artikel beschreibt entscheidende Momente: Ein Drama in sieben Akten.

6. Mai: Die Kanzlerwahl

Erstmals in der Geschichte wurde der Kanzlerkandidat nicht in der ersten Runde gewählt – 12 Stimmen Mehrheit haben nicht gereicht. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner wirkt planlos, am Ende ermöglicht die Opposition eine zweite Wahl, der Fehlstart war perfekt. 

5. Juni - Im Oval Office

Anfang Juni sitzt Merz im Oval Office zum Antrittsbesuch. Die Reise gilt als Erfolg, aber sie verdeutlicht, wie anfällig die amerikanisch-deutsche Verhältnis ist, „wenn es schon als Erfolg gilt, vom großen Bruder nicht gedemütigt zu werden. 

24. Juni - Die Stromsteuer-Entscheidung

„Stundenlang debattiert, zehn Milliarden Euro lockergemacht – und trotzdem nur Ärger am Hals“
Beiläufig berichtete Finanzminister Klingbeil, dass die Gaspreise duch Streichung der Gasspeicherumlage gesenkt werden soll, die Stromsteuer entgegen aller Ankündigungen nur für die Industrie. Der Widerspruch ist groß, auch in der eigenen Partei, denn wiedermal bindet der Kanzler seine Fraktion, seine Partei und die CDU-Ministerpräsidenten nicht ausreichend in Entscheidungen ein. 

27. Juni - Der SPD-Parteitag

Lars Klingbeil hat sich unmittelbar nach der Niederlage bei der Bundestagswahl die Macht in der SPD gesichert – und wir beim Parteitag abgestraft. Mit 64,9 % ist er zwar wiedergewählt, das ja, aber wie.
Wird Klingbeil noch die Kraft haben, schmerzhafte Einschnitte im Sozialsystem, eine Art Agenda 2030, durchzusetzen? 

11. Juli - Die Richterwahl

Nachdem der Wahlausschuss alle drei Kandidaten für das Verfassungsgericht bestätigt hatte, wurde die endgültige Abstimmung verschoben. Merz und Fraktionschef Spahn hatten unterschätzt, dass der Widerstand gegen die Kandidatin Brosius-Gersdorf zu groiß ist. Vorausgegangen war eine beispiellose Kampagne, aus Sicht der SPD ist die CDU eingeknickt. Das Vertrauen in den Koalitionspartner ist gewaltig erschüttert.

30. Juli - Der Bundeshaushalt

Finanzminister Klingbeil stellt den Haushalt vor und verweist auf Unzulänglichkeiten in der Etatplanung. Es gibt eine  Finanzierungslücke von 172 Milliarden. Statt die Schieflage zu beseitigen sattelt die Regierung drauf. Mit der Ausdehnung der Mütterrente und weiteren Beschlüssen hat die Koalition die bereits bestehenden Löcher in der Finanzplanung sogar noch um 30 Milliarden Euro vergrößert. Die doppelte Botschaft: Von der angekündigten neuen Priorisierung ist noch nichts zu sehn. Außerdem muss Klingbeil noch beweisen, dass er ein guter Finanzminister ist, 

8. August Die Israel-Entscheidung 

Merz verbreitet eine Pressemitteilung und stoppt die Ausfuhren von Rüstungsgütern – ohne die CSU zu informieren. In der Union empfinden das viele als Bruch mit der unverbrüchlichen Solidarität mit Israel und dem Kampf der Armee gegen den Hamas-Terror. Außerdem beschweren sich viele, dass sie von der Entscheidung durch die Presse erfahren haben. Wieder hat Merz die Lage kolossal unterschätzt: Wo Olaf Scholz die Dinge vielleicht drei, vier Mal zu viel durchdacht hat, dreht Merz mindestens eine Schleife zu wenig. 

Das Fazit der Autoren: Nach 100 Tagen wird diese Koalition mit Merz und Klingbeil nun von zweien angeführt, die in den eigenen Reihen schwer angezählt sind.


Wie geht es voran? Eine Bestandsaufnahme


Henrike Roßbach behandelt der Süddeutschen Zeitung einige Themenfelder. 
In seiner Regierungserklärung hatte Bundeskanzler Merz versprochen, dass die Menschen bereits im Sommer merken: Hier verändert sich langsam etwas zum Besseren, es geht voran. Die Bürger spüren davon lauf Umfragen noch weniger, nur 29 Prozent sind mit der Regierung zufrieden. 

Migrationspolitik 

Im Bereich der Migration hat sich einiges getan: Schon kurz nach seiner Vereidigung schickte er Tausende zusätzliche Polizisten an die deutschen Außengrenzen, seither werden dort auch Asylsuchende zurückgewiesen. Abschiebungen nach Afghanistan wurden durchgeführt, der Familiennachzug ausgesetzt. Tatsächlich ging die Zahl deutlich zurück, wobei umstritten ist, ob dieser Rückgang nicht auch auf die deutlich rückgehenden Zahlen europaweit zurückzuführen ist. In der Bevölkerung kommt diese Haltung mehrheitlich gut an. 

Investitionsbooster und Sondervermögen 

Beschlossen wurde ein „Investitionsbooster“: bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Betriebe, mittelfristig niedrigere Unternehmenssteuern und eine stärkere Förderung von E-Firmenwagen, Forschung, Entwicklung. Dazu kommt noch der schuldenfinanzierte 500-Milliarden-Euro-Topf für Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz sowie die Lockerung der Schuldenbremse für Sicherheit und Verteidigung. Der Zollkonflikt mit den USA dämpfte jedoch die kurzzeitigen Hoffnungen, das Bruttoinlandsprodukt ist ein weiteres Mal gefallen. 

Wenig Vertrauen in den Reformwillen

Nur wenige Menschen haben Vertrauen in den Reformwillen – durchaus begründet. Statt Reformen anzugehen, verabschiedete das Kabinett kurz vor dem 100-Tage-Jubiläum noch ein Rentenpaket, das mittelfristig 16 Milliarden Euro im Jahr kostet.
Für Unmut sorgte auch, dass Stromsenkungssenkungen für alle versprochen wurde, private Haushalte und Teile der Wirtschaft nun aber leer ausgehen.  Nun hat Merz einen Herbst der Reformen in Aussicht gestellt – man darf gespannt sein.